Freitag, 25. August 2017
25 August 2017 (Freitag)
Warum so lange nichts mehr in diesem Blog? Ist nichts Neues mehr passiert? Geht es dir gut?
Derzeit ist mein Mitteilungsbedürfnis nicht so stark ausgeprägt. Zudem habe ich immer einen gewissen Anspruch an das, was ich schreibe. Und dabei mache ich oft genug die Erfahrung, dass nicht jeder Gedanke den Transport aus dem Kopf in den Blog 1:1 schafft. Die vielen Abstriche, die ich machen muss, nerven mich dann doch.
Nun gut. Der Worte sind nun genug gewechselt, lasst uns endlich Taten sehen (Goethe):
Die gute Nachricht
Der Anruf kam vor ein paar Wochen. Meine Onkologin meldete sich um mir mitzuteilen, dass der Krebs im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Freilich muss das noch durch eine Gewebeprobe bestätigt werden, aber im Blut ist null. Das war doch eine gute Nachricht, vielleicht die erste wirklich gute Nachricht in den letzten Monaten was die Krankheit angeht. Natürlich habe ich mich gefreut.
Zudem fühle ich mich seit meiner Entlassung aus der Hochdosistherapie von Tag zu Tag körperlich besser. Meine Kondition ist besser geworden, ich kann sogar Fahrrad fahren.
Also alles gut?
Wenn es denn so einfach wäre.
Tatsächlich läuft mein Seelenleben derzeit auf Sparflamme. Bedingt durch den Dauerstress der letzten Monate ist meine psychische Belastbarkeit deutlich begrenzt. Ich litt zuerst sehr stark an Fatigue (seelischer Erschöpfungszustand, deutlich erhöhtes Schlafbedürfnis, dauernde Müdigkeit), das aber ist mittlerweile eingedämmt. Aber es bleiben Reizbarkeit, Stressausbrüche, Vergesslichkeit im Kurzzeitgedächtnis und viele, sehr viele negative Gedanken.
Meine Seele verarbeitet noch, was der Körper mitgemacht hat.
In der Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen komme ich mehr und mehr auf den Gedanken, dass das Angeschlagensein der Seele einfach zur Krankheit dazugehört. Es ist kein Anzeichen von charakterlicher Schwäche, sondern eben von Krankheit. Das wird noch ein bisschen dauern, bis das wieder im Lot ist.
Die nähere Zukunft
Der Antrag ist bewilligt: Im September geht es zur Reha nach Ratzeburg. Ich weiß noch nicht so genau, was mich dort erwartet. Aber ich werde drei Wochen da bleiben.
Was erhoffe ich dort?
Vielleicht, dass meine Seele zur Ruhe kommt und mir die Gelegenheit gibt, endlich einmal einen guten Gedanken zu Ende denken zu können. Oder dass ich meine körperliche Befindlichkeit trainiere. Warum nicht auch den seelischen Stress durch Sport ableiten, wie das so viele Menschen machen. Laufen, Radfahren, Schwimmen....
Leider war ich nie sonderlich sportlich. In Sport war ich in der Schule und bei der Bundeswehr immer eine Niete. Und viel zu viele Menschen haben mir in diese Jahren eingeredet, dass ich der Sport und ich nicht zusammenpassen. Die Ergebnisse waren dementsprechend: Wie komme ich bloß auf das Reck? Wie befördere ich den Basketball am einfachsten in den Korb? Wie ziehe ich an den Riemen, damit das Ruderboot auf der Alster vorwärts kommt? Wie schaffe ich den 5000 Meter-Lauf in der Sportabzeichenzeit?
OK, im Schwimmen war ich gut. Tanzen ging auch. Aber ansonsten: Dort, wo es andere mühelos gelang, über ein Kastenhindernis zu springen, gelang mir weder der Absprung noch der Weg über den Kasten. Ein Bundeswehr-Sportlehrer (Oberstabsfeldwebel) sagte zu mir: "Du bist eben ein Spasti".
Alles gelogen! Sport kann jeder, ich auch. Und jetzt geht es ums Überleben. Also: Ran.
Die weitere Zukunft
"Also, jetzt da der Krebs weg ist, kann das Leben ja weiterlaufen." habe ich gehört. Schön wär´s.
Nein, es ist anders.
Zunächst stehe ich vor einer neuen Rückenmarkspunktion, die eine Gewebeprobe zum Ziel hat. Aus dem Knochenmark wird Gewebe entnommen, das dann auf den Krebs MM untersucht werden soll. Ist auch da der Krebs nicht mehr nachweisbar, wovon ich tatsächlich ausgehe, dann können wir von der Krebs-Remission ("Heilung") sprechen - auch wenn wir medizinisch davon ausgehen müssen, dass MM eines Tages wiederkommen wird.
Ich lauf dann durch eine neue Chemotherapie, die 6 Wochen lang so ablaufen wird wie die ersten vier Zyklen von Januar bis April. Diese startet Ende September und soll den Jetztstand konsolidieren. Ist das durchlaufen schließen sich knapp zwei Jahre sogenannter Erhaltungstherapie an, in der mein Remissionsstand konserviert werden soll. Auch da erhalte ich Medikamente en masse und Infusionen. Es wird also anstrengend - aber lohnend.
Es geht um mein Leben.
Herzliche Grüße, Alsterstewart
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