Samstag, 27. April 2019


Ich weiß ja nicht.... Ich weiß ja nicht, ob ich diesen Blog noch fortsetzen soll. 
Ich weiß ja nicht.... Ich weiß ja nicht, ob der Blog noch das trifft, was ich sagen soll.
Ich weiß ja nicht.... Ich weiß ja nicht, ob ich noch etwas mitzuteilen habe.

Was weiß ich dann? Na gut, noch einmal in die Tasten gehauen!


Gesundheitsbericht: Infektionen und Nebenwirkungen

In diesem Jahr 2019 gestaltet sich die Gesundheit etwas anders als im Jahr 2018. Quälten mich das letzte Jahr hindurch eine ganze Reihe von Infektionen, so ist dieses Jahr bislang eher langweilig. Eine einzige fiebrige Infektion im Winter, die nach sehr kurzer Zeit ausgestanden war, und mehr nicht. Ich kann na klar nicht sagen, dass ich die Infektionen des letzten Jahres genossen hätte. Au contraire. Aber Spektakuläreres als zwei Tage Fieber kann ich nicht berichten.

Das ist doch auch gut so! 

Nun bekomme ich auch allmählich die Nebenwirkungen der immer noch laufenden Chemotherapie in den Griff. Diese äußern sich vor allem in Muskelkrämpfen in den Füßen und in Schüttelfrost einen Tag nach der Antikörpervergabe.

Den Schüttelfrost bekomme ich immer zuverlässig rund 30 Stunden, nachdem ich mir im UKE meinen Antikörper namens Elotuzumab abgeholt habe. Das kommt bei vielen Patienten vor, die dieses Präparat zu sich nehmen. Da ich alle vier Wochen freitags "dran" bin, kann ich sicher sein, dass Sonnabend Abend der Schüttelfrost kommen wird. Dieser klingt in der Nacht zum Sonntag ab. Sonntag bin ich dann "flach" gelegt und kann gar nichts mehr. Meistens erhole ich mich zum Montag dann und bin am Dienstag wieder fit. Jetzt hat mir die neue Chefärztin der Onkologischen Ambulanz den Tipp gegeben, da mit Paracetamol gegenzuschießen. Dann ließe sich der Schüttelfrost umgehen. Gesagt und nun getan: Diesen Text schreibe ich beispielsweise schüttelfrostfrei im T-Shirt bei normaler Körpertemperatur nach mittäglicher Einnahme von Paracetamol. Ich bin glücklich und erstaunt. Mal sehen, was die Nacht nun so bringt.

Alternativ schlug die Ärztin mir Cortison vor. NEIN! NEIN! NEIN! Cortison mag nützlich und prima sein, aber Cortison und ich werden sicherlich nie dicke Freunde. Nach den Erfahrungen von vor zwei Jahren - ich sage nur Bluthöchstdruck! - verzichte ich gerne auf derlei Hilfsmittel. Lieber eine Nacht Schüttelfrost als eine Dosis Cortison.

Krämpfe in den Füßen machen mir auch zu schaffen. Die treten meistens im Liegen auf, manchmal auch, wenn man sie nicht brauchen kann. Liege ich auf der Massagebank (mein Arbeitgeber spendiert mir Massagen während der Arbeitszeit zu einem günstigen Preis) , dann kommen die Fußkrämpfe mit Sicherheit. "Entspannen sie sich doch" sagt dann die Masseurin. "Ich versuche es ja mit aller Kraft" erwidere ich angestrengt. 

Neulich fuhr ich mit dem Auto auf die Autobahn. Gerade, als ich Schnelsen-Nord die große Kurve mit der langen Baustelle elegant auf die A7 Richtung Norden hinauffuhr, erwischte mich ein Fußkrampf auf der linken Seite. Wat een Schiet. Da kann ich nicht einfach rechts anhalten und den Fuß durch Gegendruck entspannen. Also: Aushalten und mal sehen, was passiert. Während ich beschleunigte, zog der Schmerz vom Fuß die Wade hoch. Jetzt kühlen Kopf bewahren. "Schmerz lass nach. Stefan - konzentriere dich auf etwas anderes. Schmerz ist nur eine Illusion. Jetzt wird er weniger. Jetzt ist es angenehm. Jetzt ist er wieder da...." So ging es eine ganze Weile. Erst kurz vor Quickborn war ich den Krampf los.

Auch ne Erfahrung.

Was macht eigentlich der Krebs? Ehrlich gesagt: Nix. 

Manchmal erinnern mich Schmerzen im Körper daran, dass die Krankheit erst vor zwei Jahren zurückgedrängt worden ist und dennoch immer noch in meinem Körper schlummert. So zogen vor Wochen schlimme Schmerzen über meinen ganzen Rücken. "The return of the ugly." Was mich letztes Jahr noch in helle Panik versetzt hätte, lässt mich heute gelassener denken: "Wenn die Krankheit zurückgekommen ist, dann wäre das beim letzten Bluttest aufgefallen. Und da war nichts. Sonst eben in zwei, drei Wochen beim nächsten Bluttest. So lange: Enjoy my life."

Ganz ehrlich: In diese Gelassenheit zu kommen war ein hartes Stück Arbeit.


Geistliches

Ich habe in den letzten Jahren zugesehen, immer eine geistliche Deutung zu finden oder damit abzuschließen. Doch hat die Auseinandersetzung mit der Krankheit zu einer weiteren Entwicklung des Glaubens geführt.

Glaube ist dynamischer, als ich dachte. 

Früher hielt ich eine einfache Glaubensgeschichte für ausreichend. Bekehrung und dann Gemeinde, das langt. Wechsel von einer Gemeinde zu einer anderen anderen fand ich nicht so prima. Warum macht man das?

Und nun habe ich die Gemeinde gewechselt. Warum? Weil sich das Leben, mein Leben, geändert hat. Meine bisherige Gemeinde hat sich auch geändert. Nichts erlebe ich mehr so, wie es vor zweieinhalb Jahren war. Also bin ich nach reiflicher Überlegung aus der Elim Hamburg ausgetreten und zurück in die evangelisch-lutherische Landeskirche gegangen. Dort docke ich an die Friedenskirche in Jenfeld an, die mich in vielem an meine ersten Jahre als Christ, seinerzeit noch in der Versöhnungskirche Eilbek, erinnert. Landeskirchlich zu glauben empfinde ich als zu meiner Lebenssituation passend.

Ich hatte letztes Jahr geschildert, dass sich mein Glaube in einer Krise befindet bzw. ich durch diese Krise hindurchgeführt wurde hin zu einer Erneuerung und Wiederherstellung des christlichen Glaubens. Nun stelle ich fest, dass es dabei doch zu einer Reihe von Dellen und Schrammen gekommen ist. Also muss mein Glauben noch einmal in die Werkstatt und gründlich durchgecheckt werden. Defektes muss repariert werden und einige verschlissene Werksteile durch neue ersetzt werden. Wichtig: Meine Glaubenssoftware benötigt ein Update.

Neulich las ich hier bei Facebook den glücklichen Bericht eines lieben Mitchristen über das erhörte Gebet bei der Parkplatzsuche. Ich kann die Freude darüber gut nachempfinden. Was mich dabei nur stutzig macht: Gott erhört das Gebet nach einem Parkplatz deutlich eher (und öfter) als mein Gebet um vollständige Heilung vom Multiplen Myelom. Wo wäre da die Relation? Eine tödliche und lebenszeitverkürzende Krankheit ist nach meine Verständnis bedeutungsvoller als ein freier Parkplatz. Man mag hierauf berechtigt einwenden, dass das erhörte Gebet für den einen nichts besagt über das (nicht erhörte) Gebet von mir. Oder dass Gott ganz andere zeitliche Maßstäbe hat als ich. Aber das alles überzeugt mich nicht. 

Die Lösung liegt wohl eher darin, dass Gott nicht funktioniert. Nie funktioniert hat. Nie funktionieren wird. "So hopp, lieber Gott, spring über das Stöckchen, das ich Gebet nenne und dir hinhalte.... Ja, fein gemacht, lieber Gott, gut gesprungen." Liebe Leute, so geht das nicht.

Gott funktioniert nicht. Aber: Er ist immer da. Das ist das, was mich an der Sache mit Gott überzeugt und immer noch überzeugt. Er trägt durch Krankheit und Parkplatzsuche gleichermaßen. Gottes Zusage der immerwährenden Liebe ist das Kreuz, an das Jesus genagelt wurde. Gottes Zusage der immerwährenden Gegenwart in unserem Leben ist die Auferstehung Jesu aus dem Tod. Gottes Zusage der immerwährenden Hoffnung ist die Ausgießung seines Geistes zu Pfingsten.

Klingt das zu pathetisch?

Bei mir kommt derzeit alles auf den Prüfstand, was ich je geglaubt habe.

Zuversicht finde ich bei dem Theologen Thomas Frings, der geschrieben hat: "Ich glaube nicht an Wunder, ich glaube an die Zusage Jesu, dass ich im Tode nicht untergehen werde."

So ist es.