Meditation - warum und was?
Ja, ich meditiere. Ich meditiere praktisch jeden Tag, jeweils zwischen 10 und 20 Minuten, meistens ist es eine Viertelstunde. Dazu setze ich mich auf ein Meditationskissen, stelle den Timer, der die Zeit mit einzelnen Gongschlägen strukturiert, setze mich in den burmesischen Sitz und dann wird meditiert.
Was mache ich da eigentlich? Eigentlich mache ich - nichts. Ich versuche jedenfalls, nichts zu machen. Tatsächlich gehen meine Gedanken, mein Geist, auf Wanderschaft. Ich brauche ungefähr fünf Minuten, bis sich meine Gedanken einigermaßen beruhigt haben. Dazu versuche ich, immer wieder zu meiner Atmung zurückzukehren, gerade wenn sich die Gedanken zu verselbständigen suchen. Nach fünf Minuten gehe ich dann für weitere fünf Minuten gedanklich durch meinen Körper, von ganz unten bis nach ganz oben. Dabei nehme ich jede Körperregion einzeln wahr, d.h. ich konzentriere mich auf sie. In der anschließenden Zeit nehme ich meine Umgebung wahr, indem ich die Geräusche höre - ohne sie indessen als störend oder angenehm zu bewerten. In den letzten Minuten vor dem finalen Gong dann bin ich tatsächlich meistens dabei, meinen Atem wahrzunehmen. Ich zähle dann die Atemzüge von eins bis zehn, bin ich bei zehn angekommen, fange ich wieder mit eins an. Der finale Gong beendet dann meine Meditationszeit.
So weit, so unspektakulär.
Warum mache ich das? Ich sammle mich zu Beginn des Tages, spitze meine Gedanken und trainiere außerdem, meinen Geist im Laufe des Tages immer wieder in die Gegenwart zurückzuführen. Was nützen die Gedanken über die Vergangenheit? Was die Sorgen um die Zukunft? Jetzt und hier ist das Leben. Dies wahrzunehmen, hier anzukommen, darum geht es mir.
Ich darf auf dem Schneckenhaus selbstgewählter Ängste und Problemen hinaus und mich dem Leben so stellen, wie es in Wirklichkeit ist. Die Phänomene verlieren ihren Schrecken und reduzieren sich auf die Gegenwart. Und wenn ich in dieser Corona-Zeit nicht nach draußen gehen darf, dann gehe ich eben nach innen.
Kürzlich habe ich bei Facebook ein Bild eingestellt, das einen meditierenden Menschen in stilisierter Form zeigt. Das reizte einige Christen zum erheblichen Widerspruch. Ich frage mich: Warum? Ist christlicher Glaube so eng, dass er es nicht erträgt, wenn Menschen in der Meditation zur Ruhe kommen? Hat Gott etwas gegen Achtsamkeit? Oder reizt ein solches Bild so sehr, dass der eigene Glaube herausgefordert wird, dass man ihn sich in aggressiver Weise vergewissern muss?
Mir gleich. Es zählt nicht, was andere Menschen denken, wenn sie das Bild eines meditierenden Menschen sehen. Es zählt nur der Augenblick, in dem ich die Gegenwart wahrnehmen kann.