Freitag, 27. Januar 2017
"Schreib doch mal einen Blog"
Als wir von meiner Ärztin im UKE kamen, sagte Christiane zu mir: Schreib doch deine Gedanken in einen Blog und veröffentliche ihn.
Das war eine super Idee. So reaktivierte ich meinen alten Blog, nahm meinen Blognamen wieder auf, und ab heute geht es los. "Alsterstewart" ist griffig, verweist auf meine Heimat (Hamburg, dafür die Alster) und auf meinen Namen, denn "Ste" und "Wart" sind die jeweils erste Silbe meines Vor- und Zunamens. Und wie spricht man das aus? Wie man will.
Zyklen
Ich habe heute beschlossen, die Tage meiner Zyklen sprachlich abzukürzen. Heute ist also 1/1, also der erste Tag des ersten Zyklus. Und ich lebe in vier Zyklen zu je 21 Tagen. Der letzte Tag der Zyklen ist also 21/4.
Zyklen? Tage?
Vor einigen Wochen ist bei mir leider eine Krebsarzt festgestellt worden, die eine Chemotherapie erforderlich macht. Leider befällt dieser Krebs das Knochenmark und führt unbehandelt zum Nierenversagen oder zum Wirbelbruch mit anschließend ungünstigen Folgen für den Körper. Moment mal: Du lebst doch gesund, Stefan. Du rauchst nicht, du trinkst kaum Alkohol und versuchst auch so, einigermaßen passabel zurechtzukommen, da passt doch Krebs nicht. Ach, wenn das so einfach wäre. Meinen Krebs kennt man zwar mittlerweile recht gut, aber leider weiß niemand, woher er kommt. Er befällt in der Regel Menschen ab ca. 65 Jahren. Ich bin also ein sehr junger Patient.
Junger Patient - hört sich für einen 52 jährigen doch recht gut an, oder?
Geht so.
Nach etwas Hüden und Perdüden durfte ich nun heute endlich mit der Behandlung starten. Die Vorstellung, in eine Chemotherapie zu gehen, hat mich bis heute tief erschrocken. Aber ich beschloss, diese Zeit nicht als Bedrohung wahrzunehmen, sondern als Hilfezeit nach dem Motto: Ab jetzt "Herr K" wird zurückgeschossen. "Eine Medizin muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts" hat mein alter Englischlehrer gerne Margaret Thatcher in den Mund gelegt. Und Chemo schmeckt - bitter.
Und so trat ich ein in die Onkologische Ambulanz, Haus 24 im UKE. Ich heute etwas Kortison, diverse Nebenmittel in den Tropfbeutel getan - Zugang gelegt und auf ging´s. Nach einer Stunde wurde der Hauptgang serviert: Die beiden Antikörper kamen frisch auf den Tisch: Einmal in den Tropf - einmal per Spritze. Der Tropf tropfte dann drei Stunden lang in die Vene. DREI STUNDEN.
Das reichte für drei Folgen "House of Cards". Immerhin, ich hatte mein iPad mit.
Die Ärztin, die mich heute begleitet hat (ich habe drei!), war zufrieden. Blutdruck blieb stabil, Puls war OK, kein Fieber. Nach drei Stunden Infusion und zwei Stunden Ruhezeit durfte ich dann wieder gehen. Komisches Gefühl: Ich fühle mich im UKE mittlerweile sicher.
Aber Krebs! Muss das sein? - Nein, muss nicht sein. Dieses Monster braucht niemand. Am wenigsten diejenigen, die es haben. Aber man lernt, ich lerne. Mit mir im Zimmer lagen durch Vorhänge abgetrennt zwei weitere Männer. Und der eine von denen stöhnte des Öfteren vernehmlich. Er sah blass und abgemagert aus, dem Tode näher als dem Leben. Und der andere klagte über verbrannte Haut, offenbar eine Folge der Strahlentherapie. Wenn ich über meinen Herrn K klage, der mir außer jämmerlichen Ängsten und Schmerzen in der Schulter nicht sehr weh getan hat, dann lehren mich diese beiden anderen K-Schicksale, demütig zu sein. Es könnte noch schlimmer sein.
Ein Gedanke: Wenn der Radiologe, der meine Schulter auf Veranlassung meines (neuen) Orthopäden untersucht hat, nicht die beiden Mikrobrüche erkannt hätte? Und wenn der Orthopäde meinen Fall nicht an das UKE weitergegeben hätte, wo aktuell eine Reihe von Ärztinnen genau solche Patienten wie mich behandeln kann? Hmn... Wenn, was, wieauchimmer?
Und wo ist Gott in diesem Gemenge?
Er spricht mir zu aus Jesaja 43: "1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen."
Da steht was von "durch Wasser gehen", "durchs Feuer gehen"? Ich gehe durch Wasser und Feuer, durch Nöte, Ängste, Sorgen und Gefahren. Es wird viel geweint. Aber Gott stellt sich zu mir: Er verlässt mich nicht. Er hält mich. Er sagt mir Seine Liebe zu.
Daran halte ich fest, wenn die Verzweiflung nach mir greift und die Ängste durch die Firnis meines Alltags kriechen. Denn weder Verzweiflung noch Angst haben das letzte Wort, nicht einmal Herr K und seine Entourage, sondern allein das Wort Gottes.
Was mir sonst noch so durch Kopf geht, schreibe ich in den nächsten Tagen, Wochen nieder. Und wenn ich im Frühjahr stationär ins Krankenhaus muss, dann "schaunmermal" (F. Beckenbauer).
Alles Gute, Alsterstewart
PS: Was bliebt heute? Eine Grunderfahrung, ein gerötetes Gesicht und belegte Stimme (vom Kortison) und der Beginn dieses Blogs.
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Viel, viel Kraft und Heilungsgnade!
AntwortenLöschenLieber Stefan, ich bin ganz besonders mit dir. Ja, den Eingang in Haus 24 kenne ich gut.Du weisst ja, daß ich vor 2 Jahren etwa auch Krebs hatte. Peter hat mich zum UkE gefahren, ich konnte nicht mal die kurze Strecke von zuhause laufen.Ich hatte ja eine OP vorher und viele Bestrahlungen, war nicht so ganz auf der Höhe. Ich bin manchmal in einem Rollstuhl durch die Gänge gefahren worden, weil die Gänge so elend lang sind. Bei mir sassen mehrere Frauen gleichzeitig in einem hohen Stuhl, alle bekamen ihre Infusionen. D.h. vorher werden ja erst noch die Blutwerte gemessen ...ständig ist man bei einem Arzt, ständig wird irgendwas untersucht. Man schaut aus dem Fenster und ist irgendwie froh, wenn man noch selbständig rein und rausgehen kann.
AntwortenLöschenJa, drei Stunden sitzt man da, mindestens - wir Frauen haben uns oft unterhalten, bei Männern geht das wohl nicht so gut. Dafür hast du dein Tablet und kannst mit Freunden kommunizieren, oder? Du kannst gewiss sein, daß wir mit ganzem Herzen bei Dir sind. Ich kann mir die Situation ja real vorstellen - da sitzt man als äusserlich intakter Mensch und kriegt dann so ein Zeug in die Adern. Ich habe übrigens gar kein Haar verloren, vielleicht geht es dir ja auch genauso. Stefan - sicher hast du mehrere Ärzte nachforschen lassen, ob du überhaupt diese Krankheit hast. Eine solche Diagnose muss ja mehrfach abgesichert sein. Wir haben große Hoffnung und Zuversicht, daß Du durch dieses Tal hindurch kommst. Du gehst den Weg nicht alleine. Jesus ist immer bei Dir und wir - Deine Freunde - beten für Dich. Deine Lehmanns