Tag 2/1
Die Nacht habe ich besser überstanden, als ich erwartet
hatte. Die leitende Ärztin sagte mir gestern, dass sich mein Körper erst an die
Vergabe der Medikamente gewöhnen muss. Vor allem war ich heute Morgen durstig.
Kortison. Und dann schaute ich auf die Auswahl der Tabletten, die ich schlucken
muss. Die legte ich alle in eine Reihe und nahm sie. Kortison, irgendwelche
Mittel gegen Übelkeit, Tromboseprävention und Schmerzmittel.
Krebs
Als vor ein paar Wochen der Orthopäde den Radiologenbefund
mit mir erörterte, verstand ich kein Wort. Erst als er sagte „da müssen wir ein
Blutbild machen“ wachte ich auf: Doch kein entzündeter Schleimbeutel? Mit einer
Verdachtsdiagnose auf dem Überweisungsschein sollte ich mich am nächsten Tag in
einem Labor melden. Was steht auf dem Schein? In der U 1 zwischen Hauptbahnhof
und Lohmühlenstraße warf mir Google die Übersetzung mitsamt Symptomen,
Tumorenwachstum und Lebenserwartung aus: KREBS im Knochenmark.
Der Boden versank unter mir. Ab da ging es mir schlecht.
Schlagartig. Montag, 19.12.2016, ca . 19.30 Uhr.
Es folgten diverse Untersuchungen: Blutbild im Labor, Hausärztin, nochmal
Orthopäde, Anmeldung im UKE, Nuklearmediziner. Und immer wieder: Kein
spezifischer Befund, nur ein Verdacht. Und dennoch Schmerzen – und eine
steigende Sorge, Angst, Panik. Weihnachten und Silvester im Eimer. Am 3.1.2017
dann Anamnese-Gespräche im UKE. Na, das hörte sich doch alles gut an, je mehr
ich Krebs ausschloss. Nein, alles nur ein Irrtum, das kann kein Krebs sein, das
darf kein Krebs sein. Es ist was anderes.
Irrtum.
In der U 1 zwischen Farmsen und Trabrennbahn, ich war am
5.1. gerade mit Jakob unterwegs, klingelt das Telefon. UKE. „Ja, wir haben
etwas gefunden.“ Und meine Welt stürzte in einem Augenblick ein. Wie verhalte
ich mich gegenüber Jakob? Den Ausflug haben wir durchgeführt, aber ich war tief
in Gedanken und Sorgen. Es hätte für
mich kaum ein schlimmeres Erwachen aus dem Traum sein können.
Warum sage ich hier nicht genau, was das für ein Krebs ist?
Weil ich es nicht aushalte, dass andere Menschen dann
googeln und hochrechnen. Ich habe diesen Fehler gemacht und Dr. Google oft
genug nach allem Möglichen wegen dieser Krankheit befragt. Aber Dr. Google
kennt mich nicht, er kennt nur Forschungsstände, die nichts mehr mit der
Gegenwart zu tun haben. Und daher zählt für mich in Bezug auf die Krankheit
nur, was meine Ärztinnen mir sagen. UND NUR DAS.
Ja, man kann etwas machen – das haben alle gesagt. Ja, es
wird dauern – das haben alle gesagt. Ja, die Krankheit kann zurückkommen – das haben
sie alle gesagt.
Und so wurde ich eine Studiengruppe eingeteilt, in der man
neue Behandlungswege gehen möchte, um wirksame und „nachhaltige“ Dämme gegen
die Krankheit zu bauen. So kam ich zu meinen drei Ärztinnen am UKE: Eine
Professorin, eine Onkologin/Hämatologin und eine, die alles organisiert. Ich
habe als Krebspatient also Chefarztbehandlung und werde auf dem neuesten Stand
der Forschung betreut. Das ist ein Trost.
Immerhin.
Kann Gott heilen? Keine richtige Frage für mich, die Antwort
kenne ich ja. Die Frage ist: Wie kommt die
Heilung zu mir? Und da sage ich: Ein kompetenter Radiologe, ein kompetenter
Orthopäde und hochqualifizierte Onkologinnen im UKE – sind das Zufälle? Und
noch mehr: Menschen, die für mich beten. Menschen, die Anteil nehmen. Menschen,
die helfen. Gott ist da!
Und: Eigentlich geht es mir von ein paar Schmerzen und von
leichter Benommenheit abgesehen ganz gut. Wenn nur nicht der Moll-Akkord wäre,
der die ganze Zeit im Hintergrund angeschlagen wird. Herr K klopft an.
Eowyn und der Hexenkönig von Angmar
Wer den „Herrn der Ringe“ von Tolkien gelesen oder im Kino
gesehen hat, kennt die Szene. Ich vergleiche Herrn K in meinen Gedanken mit
Sauron, dem dunklen Herrscher. Und Sauron schickt seine Orks übers Land, es heimzusuchen
– so wie Herr K seine Schmerzen über mich sendet. Und Sauron schickt die
Ringgeister, deren Schrei in den Hörern Angst und Verzweiflung auslöst – so wie
beim mir Herr K die Psyche mit angstvollen Gedanken quält. Der oberste
Ringgeist ist der „Hexenkönig von Angmar“, der von keinem Mann getötet werden
kann.
In einer Szene im letzten Buch des „Herrn der Ringe“ tritt
der Hexenkönig auf, schreit und tötet. Bis er Eowyn von Rohan begegnet, die
sich ihm in den Weg stellt. Und er lacht sie aus und sagt „Du kannst mich nicht
töten. Mich kann kein Mann töten. Jetzt stirb.“ Und Eowyn nimmt den Helm ab,
entrollt ihr langes Haar und schreit ihn an „Ich bin kein Mann, ich bin eine
Frau“ – und stößt ihm ihr Schwert in den Helm. Der Hexenkönig zerfällt zu einem
Nichts.
So ist das mit den Ängsten, die Herr K wie Ringgeister zu
mir sendet. Sie schreien mir Angst und Verzweiflung in die Seele. Aber: Ich bin
nicht wie andere Menschen. Ich bin ein Gotteskind. Also tue ich, was Eowyn tat:
Ich nehme das Schwert zur Hand und steche es dem Ringgeist ins Gesicht. Mein
Schwert ist das Wort Gottes (Epheser 6;17). Ein Psalm gebetet, aus der Schrift
oder auswendig, und die Angst zerfällt wie der Hexenkönig von Angmar.
Der Kampf dauert noch an. Aber diese Szene inspiriert immer
mich immer wieder aufs Neue. Seither ist es mir unmöglich den Psalter zu lesen,
ohne dass sich dadurch das Schwert des Geistes neu schärft.
So, das ist ein langer Text gewesen, länger als ich gedacht
habe.
Liebe Grüße von Alsterstewart
PS: Heute habe ich gelernt, dass ich Herrn K ernstnehmen
muss, auch wenn er ein nichtiges Arschloch ist, dass mich Tolkien inspiriert
zum Schwertanwenden und dass es mir heute ziemlich gleichgültig war, dass der
HSV mal wieder verloren hat. Gibt Schlimmeres.
Lieber Stefan, danke für deine Offenheit. Du wirst sehr stark umbetet - dessen darfst du sicher sein und das musst du merken. Wir wohnen übrigens ganz dicht am UKE - Du könntest bei uns ausruhen, wenn du magst. Und wenn du mal kurzfristig zu Untersuchungen stationär bist, können wir dich besuchen. Deine größte Aufgabe wird sein, "die Gedanken gefangen nehmen" Luther sagte : Martin Luther sagte einst: „Du kannst die Vögel nicht davon abhalten, über deinem Kopf zu fliegen, aber du kannst sie davon abhalten, auf deinem Kopf ein Nest zu bauen.“ Grübeln ist dein Feind. Ich weiss grad gut, wovon ich rede, bin schon von Natur aus grübelerisch veranlagt, schon ganz ohne Krankheit. Aber Jesus will nicht, daß wir grübeln, sondern dass wir Ihm vertrauen. Das tun wir jetzt im Gebet für Dich und Euch. Deine Lehmanns
AntwortenLöschenDeshalb ist es immer wichtig kompetente Ärzte um sich zu haben. Mein Orthopäde Köln hat mir damlas unheimlich gut geholfen und mich umfassend beraten.
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