Sonntag, 29. Januar 2017

Tag 2/1
Die Nacht habe ich besser überstanden, als ich erwartet hatte. Die leitende Ärztin sagte mir gestern, dass sich mein Körper erst an die Vergabe der Medikamente gewöhnen muss. Vor allem war ich heute Morgen durstig. Kortison. Und dann schaute ich auf die Auswahl der Tabletten, die ich schlucken muss. Die legte ich alle in eine Reihe und nahm sie. Kortison, irgendwelche Mittel gegen Übelkeit, Tromboseprävention und Schmerzmittel.
Krebs
Als vor ein paar Wochen der Orthopäde den Radiologenbefund mit mir erörterte, verstand ich kein Wort. Erst als er sagte „da müssen wir ein Blutbild machen“ wachte ich auf: Doch kein entzündeter Schleimbeutel? Mit einer Verdachtsdiagnose auf dem Überweisungsschein sollte ich mich am nächsten Tag in einem Labor melden. Was steht auf dem Schein? In der U 1 zwischen Hauptbahnhof und Lohmühlenstraße warf mir Google die Übersetzung mitsamt Symptomen, Tumorenwachstum und Lebenserwartung aus: KREBS im Knochenmark.
Der Boden versank unter mir. Ab da ging es mir schlecht. Schlagartig. Montag, 19.12.2016, ca . 19.30 Uhr.
Es folgten diverse Untersuchungen: Blutbild im Labor, Hausärztin, nochmal Orthopäde, Anmeldung im UKE, Nuklearmediziner. Und immer wieder: Kein spezifischer Befund, nur ein Verdacht. Und dennoch Schmerzen – und eine steigende Sorge, Angst, Panik. Weihnachten und Silvester im Eimer. Am 3.1.2017 dann Anamnese-Gespräche im UKE. Na, das hörte sich doch alles gut an, je mehr ich Krebs ausschloss. Nein, alles nur ein Irrtum, das kann kein Krebs sein, das darf kein Krebs sein. Es ist was anderes.
Irrtum.
In der U 1 zwischen Farmsen und Trabrennbahn, ich war am 5.1. gerade mit Jakob unterwegs, klingelt das Telefon. UKE. „Ja, wir haben etwas gefunden.“ Und meine Welt stürzte in einem Augenblick ein. Wie verhalte ich mich gegenüber Jakob? Den Ausflug haben wir durchgeführt, aber ich war tief in Gedanken und Sorgen.  Es hätte für mich kaum ein schlimmeres Erwachen aus dem Traum sein können.
Warum sage ich hier nicht genau, was das für ein Krebs ist?
Weil ich es nicht aushalte, dass andere Menschen dann googeln und hochrechnen. Ich habe diesen Fehler gemacht und Dr. Google oft genug nach allem Möglichen wegen dieser Krankheit befragt. Aber Dr. Google kennt mich nicht, er kennt nur Forschungsstände, die nichts mehr mit der Gegenwart zu tun haben. Und daher zählt für mich in Bezug auf die Krankheit nur, was meine Ärztinnen mir sagen. UND NUR DAS.
Ja, man kann etwas machen – das haben alle gesagt. Ja, es wird dauern – das haben alle gesagt. Ja, die Krankheit kann zurückkommen – das haben sie alle gesagt.
Und so wurde ich eine Studiengruppe eingeteilt, in der man neue Behandlungswege gehen möchte, um wirksame und „nachhaltige“ Dämme gegen die Krankheit zu bauen. So kam ich zu meinen drei Ärztinnen am UKE: Eine Professorin, eine Onkologin/Hämatologin und eine, die alles organisiert. Ich habe als Krebspatient also Chefarztbehandlung und werde auf dem neuesten Stand der Forschung betreut. Das ist ein Trost.
Immerhin.
Kann Gott heilen? Keine richtige Frage für mich, die Antwort kenne ich ja.  Die Frage ist: Wie kommt die Heilung zu mir? Und da sage ich: Ein kompetenter Radiologe, ein kompetenter Orthopäde und hochqualifizierte Onkologinnen im UKE – sind das Zufälle? Und noch mehr: Menschen, die für mich beten. Menschen, die Anteil nehmen. Menschen, die helfen. Gott ist da!
Und: Eigentlich geht es mir von ein paar Schmerzen und von leichter Benommenheit abgesehen ganz gut. Wenn nur nicht der Moll-Akkord wäre, der die ganze Zeit im Hintergrund angeschlagen wird. Herr K klopft an.
Eowyn und der Hexenkönig von Angmar
Wer den „Herrn der Ringe“ von Tolkien gelesen oder im Kino gesehen hat, kennt die Szene. Ich vergleiche Herrn K in meinen Gedanken mit Sauron, dem dunklen Herrscher. Und Sauron schickt seine Orks übers Land, es heimzusuchen – so wie Herr K seine Schmerzen über mich sendet. Und Sauron schickt die Ringgeister, deren Schrei in den Hörern Angst und Verzweiflung auslöst – so wie beim mir Herr K die Psyche mit angstvollen Gedanken quält. Der oberste Ringgeist ist der „Hexenkönig von Angmar“, der von keinem Mann getötet werden kann.
In einer Szene im letzten Buch des „Herrn der Ringe“ tritt der Hexenkönig auf, schreit und tötet. Bis er Eowyn von Rohan begegnet, die sich ihm in den Weg stellt. Und er lacht sie aus und sagt „Du kannst mich nicht töten. Mich kann kein Mann töten. Jetzt stirb.“ Und Eowyn nimmt den Helm ab, entrollt ihr langes Haar und schreit ihn an „Ich bin kein Mann, ich bin eine Frau“ – und stößt ihm ihr Schwert in den Helm. Der Hexenkönig zerfällt zu einem Nichts.
So ist das mit den Ängsten, die Herr K wie Ringgeister zu mir sendet. Sie schreien mir Angst und Verzweiflung in die Seele. Aber: Ich bin nicht wie andere Menschen. Ich bin ein Gotteskind. Also tue ich, was Eowyn tat: Ich nehme das Schwert zur Hand und steche es dem Ringgeist ins Gesicht. Mein Schwert ist das Wort Gottes (Epheser 6;17). Ein Psalm gebetet, aus der Schrift oder auswendig, und die Angst zerfällt wie der Hexenkönig von Angmar.


Der Kampf dauert noch an. Aber diese Szene inspiriert immer mich immer wieder aufs Neue. Seither ist es mir unmöglich den Psalter zu lesen, ohne dass sich dadurch das Schwert des Geistes neu schärft.
So, das ist ein langer Text gewesen, länger als ich gedacht habe.
Liebe Grüße von Alsterstewart
PS: Heute habe ich gelernt, dass ich Herrn K ernstnehmen muss, auch wenn er ein nichtiges Arschloch ist, dass mich Tolkien inspiriert zum Schwertanwenden und dass es mir heute ziemlich gleichgültig war, dass der HSV mal wieder verloren hat. Gibt Schlimmeres.

2 Kommentare:

  1. Lieber Stefan, danke für deine Offenheit. Du wirst sehr stark umbetet - dessen darfst du sicher sein und das musst du merken. Wir wohnen übrigens ganz dicht am UKE - Du könntest bei uns ausruhen, wenn du magst. Und wenn du mal kurzfristig zu Untersuchungen stationär bist, können wir dich besuchen. Deine größte Aufgabe wird sein, "die Gedanken gefangen nehmen" Luther sagte : Martin Luther sagte einst: „Du kannst die Vögel nicht davon abhalten, über deinem Kopf zu fliegen, aber du kannst sie davon abhalten, auf deinem Kopf ein Nest zu bauen.“ Grübeln ist dein Feind. Ich weiss grad gut, wovon ich rede, bin schon von Natur aus grübelerisch veranlagt, schon ganz ohne Krankheit. Aber Jesus will nicht, daß wir grübeln, sondern dass wir Ihm vertrauen. Das tun wir jetzt im Gebet für Dich und Euch. Deine Lehmanns

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  2. Deshalb ist es immer wichtig kompetente Ärzte um sich zu haben. Mein Orthopäde Köln hat mir damlas unheimlich gut geholfen und mich umfassend beraten.

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