Mittwoch, 12. Juli 2017

Im Krankenhaus

Wie war es eigentlich im Krankenhaus? Nun ja, es ging so.

Schon am ersten Tag (Montag, 19.6.) wurde mir klar, dass ich wieder einen Zentralen Venenkatheder (ZVK) gelegt bekommen würde. Das war beim letzten Mal eine traumatische Erfahrung. Und jetzt also wieder. So ein Mist. Aber: Gut, dass ich vorbereitet war. Also konnte ich sagen, dass ich ohne ein kleines psychopharmakologisches Hilfsmittel die Verlegung des ZVK nich durchstehen würde. Kein Problem für die Ärzte: Ich erhielt eine Minidosis Tavor - und schon war ich etwas ruhiger. Die Angst war nicht weg, aber die Angstspitzen waren weg. Zudem hat mir dieses Mal die operierende Ärztin alles haarklein erklärt und dafür gesorgt, dass ich nicht unter Platzangst zu leiden hatte. So erhielt ich schon am ersten Tag den ZVK, in dem schon am ersten Tag die hochdosierte Chemotherapie hineingegeben wurde.

Am zweiten Tag erhielt ich die zweite Hochdosis. Am vierten Tag erhielt ich dann ein Paket meiner Stammzellen zurück. Das roch ein wenig nach Tomatensuppe mit Knoblauch. Und ich nahm diesen Geruch auch für die Dauer eines Tages an. 

Warum musste ich überhaupt jetzt im Krankenhaus bleiben? Chemo und Stammzellentransplantation waren doch durch. Die Antwort ist simpel: Erstens zerstört die Chemo mein blutbildendes System, so dass ich nach ca. einer Woche das Zelltief (minimaler Anteil an Leukozyten und Thrombozyten) erreichen sollte. Zweitens ist dies mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden, weshalb ich zur Beobachtung bleiben musste.

Mein erster Zimmergenosse hatte ein schweres Schicksal zu tragen. 33 Jahre alt, Nichtraucher, mit einem Lungenkarzinom, das in die Leber metastasiert hatte. Er war deshalb ganz gelb geworden. Und zu unser aller Leidwesen bekam er sehr schlecht Luft. Zuerst ging das noch, aber mit den Tagen entwickelte sich bei ihm eine starke Luftnot, die sich in Husten, Spucken und Würgen äußerte. Er erhielt Sauerstoff, der nicht half. Nach zwei Tagen war es soweit: Er wurde auf die Intensivstation verlegt. Einen Tag später traf ich seinen Bruder vor dem UKE. Dieser meinte, dass mein Zimmergenosse nur noch wenige Tage zu leben hat. Schicksal.

Mittlerweile ging es mir auch nicht mehr so gut. Man geht ins Krankenhaus, damit es einem schlechter geht. Eine profunde Übelkeit hatte sich bei mir breitgemacht. Ich kenne jetzt auch den Fachbegriff: Nausea. Die Schwestern halfen mir mit Schmelztabletten, die ich unter die Zunge schieben sollte. Das tat ich auch - und es half ein paar Stunden. Doch dann wurde mir vom Geschmack dieser Tabletten bereits übel. Also wurde mir eine Infusion in den ZVK gegeben. Die half auch nur ein paar Stunden. Dann gab es noch ein paar andere Mittel, die sie mir verabreichten. Aber die Übelkeit kehrte stets zuverlässig wieder. Ich verweigerte dann die Nahrung. Schon der Gedanke an Essen war mir zuwider.

Moment: Vielleicht war das nur eine Frage des Ortes? Da ich immer noch gut zu Fuß war, hatte ich einen Currywurst-Stand entdeckt. Dort aß ich zwei Mal zu Mittag: Currywurst mit Pommes. Und wie fanden das die Ärzte? Die fanden das gut. Hauptsache: Herr Wartisch isst etwas. 

Mir wurde eine Ernährungsberaterin geschickt, mit der ich „Wunschkost“ für drei Tage vereinbarte: Fisch! Fisch! Fisch! Denn ausgerechnet Fischgerichte fehlten auf der Karte. Nach einiger Zeit normalisierte sich auch mein Appetit.

Die Zimmergenossen waren dann weniger kompliziert als der erste. Ein älterer Handlungsreisender (1 Nacht), ein Lufthansatechniker (Endfünfziger), der sich ebenfalls mit MM herumschlagen durfte (5 Nächte), ein Abiturient mit Hodgkins-Syndrom (3 Nächte). Mit allen kam ich gut aus, es lief weitgehend störungsfrei. Gerade mit dem Abiturienten habe ich interessante Gespräche geführt: Über den Syrienkrieg und Nahost (das war gerade Thema seiner Politikklausur gewesen). Doch als der Techniker und später der Abiturient nach Hause durften, hing ich etwas durch. Auch ich wollte langsam nach Hause. Wie lange sollte ich noch hier bleiben? 2 Wochen? 3 Wochen?

Ein Geschenk: Ich war zwei Tage und zwei Nächte allein im Zimmer. Das tat meiner angeschlagenen Psyche gut.
Leider entwickelte sich eine Infektion. Das fanden die Ärzte und die Schwestern natürlich nicht gut. Aber was war die Ursache dafür? Blöd genug: Der ZVK! Unter Ängsten bei mir verlegt hatte sich die Region dort entzündet und führte bei mir zu Fieber. Also hat eine Schwester ihn mir gezogen, was wie Feuer brannte. Das Fieber aber fiel wieder. Statt des ZVK erhielt ich eine Braunüle in den Arm. Zweitbeste Lösung also.

Zum Glück habe ich viel Besuch erhalten: Von der Familie und von unermüdlichen Freunden. Gerade Besuche durchbrechen das Einerlei des Krankenhausalltags. Und ich spürte, dass ich nicht in Vergessenheit geraten bin. Besuche helfen kolossal beim Gesundwerden, das wurde mir in dieser Zeit bewusst.

Bei einer großen Visite klagte ich dem Oberarzt, dass ich Schmerzen in der Schulter habe. Genau dort, wo ich im Winter die Probleme mit der Wirksamkeit des MM hatte. Da schaute mich der Oberarzt an und versetzte: „Was ihnen auch immer dort Probleme macht, das Myelom kann es nicht sein. Die Myelomwerte sind im Keller.“ Ich hoffe, dass ich mich nicht verhört habe. Wenn das stimmt, dann heißt das, dass der Krebs zurückgedrängt worden ist. HOFFNUNG keimt auf. Die Schmerzen im Schulterbereich gingen übrigens zurück, nachdem mir das Krankenbett etwas verlängert worden war. Es war also nur eine Verspannung.

Nach zwei Wochen, es war ein Montag und ich hatte gerade Besuch, wurde mir von einer Ärztin zugerufen: „Morgen gehen sie nach Hause.“ Hurra! Also keine drei Wochen Aufenthalt, sondern nur gut zwei Wochen. Ich war begeistert. Und so verließ ich am Dienstag, den 4.7.2017 das UKE.

Ist das das Ende der Krebsgeschichte? Leider noch nicht. Aber ich bin einen großen Schritt weitergekommen. Und ich habe Erfahrungen gemacht.

Leider plagen mich immer noch Geruchserinnerungen an die Krankenhauszeit, die bei mir sofort Ekel und Übelkeit auslösen. Und ich leide unter Fatigue. Die Geschichte geht also weiter.

3 Kommentare:

  1. Lieber Stefan, es gibt keinen Tag, an dem wir nicht für dich beten. Wir sind dankbar für jeden Fortschritt und dies alles klingt nach Fortschritt. Aber wir wollen hören, daß weit und breit nicht die kleinste Krebszelle zu finden ist. Herzlich Ulla u. Peter

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  2. Stew, jetzt lass den Kopf nicht hängen. Du schlägst dich gut. Wenn es Deine körperliche Verfassung zulässt, schnapp Dir Deine Frau und/oder Deine Kinder und geh unters Volk. Es gibt immer eine kleine Insel, auf die man flüchten kann. LG, Cl & Jo

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  3. Lieber Stefan, durch einen dummen Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich denke viel an Dich. Ich wünsche Dir sehr viel Kraft ,die Du mir auch vor zwei Jahren durch kleine Gesten gegeben hast, als mein Mann schwer krank geworden ist. Aber dieser Bericht klingt nach Fortschritt und dafür lohnt es sich weiter zu kämpfen. Ich wünsche Dir sehr viel Kraft und Energie für Deine weitere Genesung. Des Weiteren hoffe ich, dass ich Dich bald wiedersehen werde. LG Steffi PS : Die Glatze steht Dir.

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