Notfallambulanz, Teil 2: Im Krankenhaus
22:45 Meine erste
Nacht im Krankenhaus. Die Gefühle tanzen im Kreis: Verwunderung, Erstaunen,
Ekel, Schock, Apathie, Traurigkeit…. Alles durcheinander. Ich habe also eine
Lungenembolie. Das habe ich gar nicht gemerkt. Thrombose vielleicht, aber
Embolie? Die müssen sich bei der Diagnose geirrt haben. Na klar, das sind
lauter Spezialisten, die falsche Diagnosen stellen. Geirrt. Keine Lungenembolie.
Aber was dann….? Doch Lungenembolie.
Christiane hatte mir ja Sachen mitgebracht, aber die passen
nicht in den winzigen Spind. Egal, in diesem Zimmer (noch dunkel) bleibe ich
nur eine Nacht. Ich erhalte ein Nachthemd, das hinten offen ist und das ich
deshalb nicht richtig schließen kann. Ein freundlicher Pfleger tüdelt mich an:
Auf meinem Oberkörper sind Elektronen befestigt, die an ein Aufnahmegerät nun
mit Kabeln angeschlossen werden. Ich erhalte ein Pulsmessgerät und eine
Blutdruckmanschette, die sich alle 30 Minuten aufbläst. Die Daten erhält der
Pfleger in seinen Kontrollraum. „Gute Nacht.“ Licht aus.
Mit mir im Zimmer ist ein älterer Mann, circa 70 Jahre alt,
den wir Klaus nennen wollen. Er hat meinen Namen falsch verstanden und nennt
mich „Helmut“. Ich bin noch so genervt, dass ich das nicht korrigiere. Dann
eben „Helmut“. Das Spiel geht dann Licht an, Pfleger kommt, Klaus geht zum Klo,
Licht aus, Licht an, Klaus kommt mit dem Pfleger wieder, legt sich hin, Licht
aus. Das wiederholt sich in der Nacht circa 3 Mal. Auch Klaus ist ein Notfall
gewesen, er lag im UKE von 9 Uhr morgens bis 22.00 In einem Bett auf dem Flur.
Er hat ein besonderes Mitteilungsbedürfnis und textet mich zu. Dann schnarcht
er. Ich (wohl) auch.
Die Nacht wechselt zwischen Wach- und Schlafphasen. Das geht
alles so ineinander über. Manchmal fahren LKW direkt an unserem Zimmerfenster
vorbei. Nein, das sind keine Träume, das passiert tatsächlich. Es gibt keine
Vorhänge, die man zuziehen kann.
7:00 „Guten
Morgen!“ - Zwei Krankenschwestern lassen
sich blicken. „Wollen Sie einen Waschlappen und ein Handtuch zum Waschen?“ Ich erhebe
mich aus wirren Träumen. Was? Waschen? Waschlappen? Ich wasche mit NIE mit
einem Waschlappen, wen ich dusche. Es ist mir so schietegal, was die beiden
wollen. Dabei schaue ich durch das jetzt helle Zimmer: Abgewetzte Wände, ein
schmuckloser Spind und ein winziges Waschbecken mit einem Schemel davor. Ich raune
unwirsch: „Legen sie man alles da hin. Wo kann ich aufs Klo gehen?“ „Hier den
Gang hinunter, dann links.“ Die beiden trollen sich.
7.30 Mir ist
alles wurscht. Aber: Ich will aufs Klo, bin aber noch an das Aufnahmegerät
angeschlossen. Ich klingele nach einer Schwester. Als eine ältere
Krankenschwester dann kommt, kann sich mich abtüdeln. Dabei sagt sie mir, dass
gleich „Visite“ ist. Hier ist von 7.30 bis 8.00 Uhr Visite. Oh prima, dann
warte ich bis 8.00 Uhr, dann kann mir einer sagen, wie es weitergeht.
8:10 Keine Visite
ist gekommen. Mittlerweile habe ich mich notdürftig gewaschen. Klaus wartet
auch und erzählt mir von seiner Arthrose. Ich starre an die Decke, dann raffe
ich mich auf und humple durch die Gänge aufs Klo. Als ich wieder im Zimmer bin
war immer noch kein Arzt zugegen. Also warten wir. Aber jetzt habe ich Durst!
Ich habe ein Waschbecken, kann aber nur aus dem Hahn trinken? Ich klingele nach
einer Schwester. Es erscheint wieder eine andere. „Haben sie vielleicht einen
Trinkbecher für mich? Hier ist leider nichts.“ Sie kommt dann mit einem
Plastikbecher und etwas Mineralwasser wieder. Meine Frage: „Gibt es hier auch
Frühstück und etwas Kaffee?“ „Ja, so in einer halben bis einer dreiviertel
Stunde.“ Also: Warten.
8.45 Ich starre
an die Wände des unansehnlich-kargen Zimmers. Klaus ist jetzt auch mit Waschen
durch. Vorher hat er mir an den Schultern gerüttelt: „Wir müssen noch warten“
sagt er dabei. Ah ja. Mir fällt Bernd das Brot ein: „Ich will hier weg!“
9.15 Ein junger
Mann erscheint: „Frühstück“. Er bringt Kaffee (1 Tasse) und Brötchen (1 Stück)
mit Butter und Marmelade. Gut, annehmbar, übersichtlich. Nach alter
Facebook-Tradition fotografiere ich das ab.
Frühstück im gediegen-gemütlichen Ambiente. Stylisch. |
10.10 Klaus
wird vor mir verlegt. Ein Pfleger kommt
und nimmt ihn samt Habe und allem mit. Er freut sich, endlich „auf Station“, da
wäre es besser. Na dann, good luck.
10.15 Eine Schwester
erscheint: Ist Herr O. verlegt? Ich sage ja. „Sie werden dann heute nach Hause
gehen“ sagt sie mir dann. „Wie? Mir wurde eben noch gesagt, dass ich verlegt
werden soll“ erwidere ich. „Nein, sie kommen nach Hause“ sagt sie mir wieder.
Das habe Professor Soundso bei der Visite entschieden. Visite? Wer ist
Professor Soundso? Ich frage also: „Wer ist Professor Soundso? Und eine Visite
gab es auch nicht.“ Die Schwester hierauf: „Die Visite war auch nicht überall,
hier eben nicht. Wir haben viel zu tun. Und der Professor kennt sie.“ Ach: „Dann
soll er mir das sagen“ versetze ich. Und ich warte, bis er kommt. Im Warten
habe ich schließlich seit gestern Erfahrung. Später erscheint der junge Arzt: „Ich
habe mich geirrt, sie gehen nach Hause.“ Soso.
10.45 Professor Soundso
erscheint, ein freundlicher älterer Herr. „Ja, wir haben viel zu tun,
entschuldigen sie bitte. Aber es ist so viel zu tun seit gestern.“ Das hatte ich noch nicht gemerkt, denke ich
in einem sarkastischen Anfall. Er untersucht mich nochmals. Dann sagt er: „Ich
mache die Entlassungspapiere fertig. Leider funktioniert unsere EDV heute
nicht, wir hatten heute Nacht einen totalen Computerausfall, sobald die Systeme
wieder laufen, kann ich ihren Entlassungsbrief schreiben“. Alsdann entfleucht
er. Von mir aus können die ihre Arztbriefe auch auf Büttenpapier und
handschriftlich verfertigen.
11:10 Eine Schwester
weist mich in die Geheimnisse der Heparin-Selbstspritzen ein. Lehrreich. Dann
darf ich mir die erste Spritze gleich selbst setzen.
11:30 Walde ist da!
Wie aus dem Boden gewachsen steht er mit einem Male im Zimmer. Ich bin perplex.
„Wie kommst du denn hierher?“ Aber als er antworten will erscheint Professor
Soundso und bringt mir den Entlassungsbrief. Er schärft mir ein, mich
körperlich zu schonen. Mit einer Lungenembolie auf beiden Seiten ist nicht zu
spaßen. Und er entschuldigt sich abermals für das UKE, dass das alles so lange
gedauert hat.
11:45 Walde, den
buchstäblich der Himmel geschickt hat, und ich verlassen das UKE. Als ich
endlich durch die Türen hinaus ins Freie trete atme ich tief durch. Walde, der
über einen Elim-Infokanal über mein Schicksal in Kenntnis gesetzt worden war,
fährt mich heim.
War´s das?
Liebe Grüße, Alsterstewart