Sonntag, 26. August 2018
Zur Abwechslung schreibe ich nun wieder etwas zu dem Thema, das mich seit einiger Zeit beschäftigt: Mein Krebs und ich.
Krebs - (k)ein Thema für Small Talk
Vor einiger Zeit fand ich im Warteraum der Psychoonkologie eine lustige Postkarte, die sich "Krebs Bullshit Bingo"nennt. Ich nahm sie mit, weil ich auf ihr einige der Sätze entdeckte, die mir schon begegnet waren.
Auf der Karte stehen unter anderem diese Sätze:
"Man sieht es dir gar nicht an."
"Und wer macht jetzt deine Arbeit?"
"Ach, das haben ja heutzutage so viele."
"Denk an die Leute, die es noch schlechter haben."
Entworfen und getextet hat die Karte die Personaltrainerin Sabine Dinkel, selbst schwer an Krebs erkrankt und Autorin des Buches "Krebs ist, wenn man trotzdem lacht." Ein epochales Werk, leicht zu lesen - für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
Daran musste ich denken, als ich neulich in einer lockeren Gesellschaft von drei Personen war, zwei Männer, eine Frau, und im Gespräch war. Das Gespräch war locker und kreiste um diverse Themen. Einer der beiden Männer stellte dann die ehrliche Frage "na, wie geht es dir denn eigentlich jetzt? Erzähl doch mal." Dem wollte ich mich nicht entziehen. Also berichtete ich von Erhaltungstherapie mit Antikörper und Chemo, von Remission und Rezidiv, von den Kämpfen mit den Begleiterscheinungen usw.
"Arbeitest du denn jetzt?" wollte er noch wissen. Ich fing an zu erzählen, wie ich Krankheit und Therapie einerseits und Arbeit unter einen Hut bringe.
Da wurde ich von der Frau unterbrochen: "Aber wenn du Chemo hast, warum hast du dann noch Haare? Meine Mutter hat auch Krebs, die hatte Chemo und hat jetzt keine Haare mehr." Der Frager vom Anfang stellte für mich klar: "Aber Stefan hatte vor einem Jahr keine Haare mehr, die sind wieder nachgewachsen."
Darauf fuhr ich mit der Schilderung fort und beendete das Thema für mich.
Sodann sagte mir die Frau, die mir bis dato völlig unbekannt war: "Meine Mutter hat auch Krebs, die hatte Chemo, wurde operiert, wird jetzt bestrahlt und liegt seit Monaten im Krankenhaus."
Mein Gedanke war: Was soll ich jetzt dazu sagen? Traurig für die Frau mit Familie, noch trauriger für ihre Mutter - aber was hilft mir das? Hier ging es zunächst um meine Geschichte und sorry, ich bin derzeit in einer Phase, da brauche ich etwas Zuspruch.
Der bis dahin stumme zweite Mann intervenierte: "Ich habe einen Nachbarn, der auch Krebs hat. Der kam jetzt aus dem Krankenhaus nach Hause und muss immer so einen Flüssigkeitsbehälter auf dem Rücken mit sich schleppen." Auch das noch. Wie erbaulich, genau jetzt mein Thema.
Die Frau erwiderte: "Und meine Mutter hat..."
Bullshit Bingo: Vier Treffer. Mir wurde es zu viel. Definitiv zu viel. Aber das Gespräch jetzt abbrechen? Was sollen dann die Leute denken? Verletze ich nicht ihre Gefühle?
Mir kam eine gute Freundin, ebenfalls chronisch krank, ins Gedächtnis, die schrieb in ihrem Blog "Was kann ich für die Gefühle anderer Menschen, wenn es um MEINE Krankheit geht?"
Also erhob ich meine Stimme und sagte: "Also ich beende hiermit das Thema Krebs. Ich habe keine Lust mehr, darüber zu sprechen. Tut mir leid für Eure Angehörigen und Nachbarn, aber ICH kann nicht mehr."
Rrrrums! Das Thema war durch.
Krebs taugt nicht für Gespräche wie "ich kenne dazu auch noch eine Story." Small Talk in lockerer Runde und ein Gespräch über ein so ernstes Thema vertragen sich nicht. Jedenfalls nicht bei mir.
Darf man denn gar nicht darüber sprechen?
Oh doch, man darf. Ich lasse es auch zu. Wer selbst Krebs hat oder hatte, wer Angehörige mit dieser Krankheit hat und das Thema ruhig anspricht, ja, da ergibt sich guter Austausch. Was empfindest du? Was hat dir am meisten geholfen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sozusagen unter Gleichen auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommt und für die Story jedes Menschen Platz ist. Dass man es aber auch respektiert, wenn jemand nicht darüber sprechen mag.
Und die anderen? Sabine Dinkel empfiehlt anderen Menschen eine freundliche und aufbauende Kommunikation mit Krebserkrankten. Wenn das nicht geht, dann schweigt man eben dazu. Ins Thema aber zu kommen mit "mein Bekannter X hatte auch und ist jetzt tot",, "meine Bekannte Y hatte auch und lebt noch" ist wenig hilfreich. Dahinter verstecken sich Schicksale, die aber nicht unbedingt demjenigen, dem sie erzählt werden, aufbauen. Sagt also einfach etwas Nettes, Freundliches, Aufbauendes.... Das geht.
Liebe Leute, mir geht es derzeit gesundheitlich nicht besonders gut. Ja, ich kann durchaus etwas Aufbauendes vertragen.
Alles Liebe, Alsterstewart
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