Sonntag, 30. April 2017


Notfallambulanz, Teil 2: Im Krankenhaus



22:45    Meine erste Nacht im Krankenhaus. Die Gefühle tanzen im Kreis: Verwunderung, Erstaunen, Ekel, Schock, Apathie, Traurigkeit…. Alles durcheinander. Ich habe also eine Lungenembolie. Das habe ich gar nicht gemerkt. Thrombose vielleicht, aber Embolie? Die müssen sich bei der Diagnose geirrt haben. Na klar, das sind lauter Spezialisten, die falsche Diagnosen stellen. Geirrt. Keine Lungenembolie. Aber was dann….? Doch Lungenembolie.

Christiane hatte mir ja Sachen mitgebracht, aber die passen nicht in den winzigen Spind. Egal, in diesem Zimmer (noch dunkel) bleibe ich nur eine Nacht. Ich erhalte ein Nachthemd, das hinten offen ist und das ich deshalb nicht richtig schließen kann. Ein freundlicher Pfleger tüdelt mich an: Auf meinem Oberkörper sind Elektronen befestigt, die an ein Aufnahmegerät nun mit Kabeln angeschlossen werden. Ich erhalte ein Pulsmessgerät und eine Blutdruckmanschette, die sich alle 30 Minuten aufbläst. Die Daten erhält der Pfleger in seinen Kontrollraum. „Gute Nacht.“ Licht aus.

Mit mir im Zimmer ist ein älterer Mann, circa 70 Jahre alt, den wir Klaus nennen wollen. Er hat meinen Namen falsch verstanden und nennt mich „Helmut“. Ich bin noch so genervt, dass ich das nicht korrigiere. Dann eben „Helmut“. Das Spiel geht dann Licht an, Pfleger kommt, Klaus geht zum Klo, Licht aus, Licht an, Klaus kommt mit dem Pfleger wieder, legt sich hin, Licht aus. Das wiederholt sich in der Nacht circa 3 Mal. Auch Klaus ist ein Notfall gewesen, er lag im UKE von 9 Uhr morgens bis 22.00 In einem Bett auf dem Flur. Er hat ein besonderes Mitteilungsbedürfnis und textet mich zu. Dann schnarcht er. Ich (wohl) auch.

Die Nacht wechselt zwischen Wach- und Schlafphasen. Das geht alles so ineinander über. Manchmal fahren LKW direkt an unserem Zimmerfenster vorbei. Nein, das sind keine Träume, das passiert tatsächlich. Es gibt keine Vorhänge, die man zuziehen kann.

7:00       „Guten Morgen!“  - Zwei Krankenschwestern lassen sich blicken. „Wollen Sie einen Waschlappen und ein Handtuch zum Waschen?“ Ich erhebe mich aus wirren Träumen. Was? Waschen? Waschlappen? Ich wasche mit NIE mit einem Waschlappen, wen ich dusche. Es ist mir so schietegal, was die beiden wollen. Dabei schaue ich durch das jetzt helle Zimmer: Abgewetzte Wände, ein schmuckloser Spind und ein winziges Waschbecken mit einem Schemel davor. Ich raune unwirsch: „Legen sie man alles da hin. Wo kann ich aufs Klo gehen?“ „Hier den Gang hinunter, dann links.“ Die beiden trollen sich.

7.30       Mir ist alles wurscht. Aber: Ich will aufs Klo, bin aber noch an das Aufnahmegerät angeschlossen. Ich klingele nach einer Schwester. Als eine ältere Krankenschwester dann kommt, kann sich mich abtüdeln. Dabei sagt sie mir, dass gleich „Visite“ ist. Hier ist von 7.30 bis 8.00 Uhr Visite. Oh prima, dann warte ich bis 8.00 Uhr, dann kann mir einer sagen, wie es weitergeht.

8:10       Keine Visite ist gekommen. Mittlerweile habe ich mich notdürftig gewaschen. Klaus wartet auch und erzählt mir von seiner Arthrose. Ich starre an die Decke, dann raffe ich mich auf und humple durch die Gänge aufs Klo. Als ich wieder im Zimmer bin war immer noch kein Arzt zugegen. Also warten wir. Aber jetzt habe ich Durst! Ich habe ein Waschbecken, kann aber nur aus dem Hahn trinken? Ich klingele nach einer Schwester. Es erscheint wieder eine andere. „Haben sie vielleicht einen Trinkbecher für mich? Hier ist leider nichts.“ Sie kommt dann mit einem Plastikbecher und etwas Mineralwasser wieder. Meine Frage: „Gibt es hier auch Frühstück und etwas Kaffee?“ „Ja, so in einer halben bis einer dreiviertel Stunde.“ Also: Warten.

8.45       Ich starre an die Wände des unansehnlich-kargen Zimmers. Klaus ist jetzt auch mit Waschen durch. Vorher hat er mir an den Schultern gerüttelt: „Wir müssen noch warten“ sagt er dabei. Ah ja. Mir fällt Bernd das Brot ein: „Ich will hier weg!“



9.15       Ein junger Mann erscheint: „Frühstück“. Er bringt Kaffee (1 Tasse) und Brötchen (1 Stück) mit Butter und Marmelade. Gut, annehmbar, übersichtlich. Nach alter Facebook-Tradition fotografiere ich das ab.
Frühstück im gediegen-gemütlichen Ambiente. Stylisch.


9.45       Die nicht üppige Mahlzeit ist eingenommen. Ein junger Arzt kommt und eröffnet mir, dass ich gleich auf die Station verlegt werden soll. Gut, das auch noch. Dann eben so. Also packe ich meine Siebensachen zusammen und harre des Transports.

10.10    Klaus wird  vor mir verlegt. Ein Pfleger kommt und nimmt ihn samt Habe und allem mit. Er freut sich, endlich „auf Station“, da wäre es besser. Na dann, good luck.

10.15    Eine Schwester erscheint: Ist Herr O. verlegt? Ich sage ja. „Sie werden dann heute nach Hause gehen“ sagt sie mir dann. „Wie? Mir wurde eben noch gesagt, dass ich verlegt werden soll“ erwidere ich. „Nein, sie kommen nach Hause“ sagt sie mir wieder. Das habe Professor Soundso bei der Visite entschieden. Visite? Wer ist Professor Soundso? Ich frage also: „Wer ist Professor Soundso? Und eine Visite gab es auch nicht.“ Die Schwester hierauf: „Die Visite war auch nicht überall, hier eben nicht. Wir haben viel zu tun. Und der Professor kennt sie.“ Ach: „Dann soll er mir das sagen“ versetze ich. Und ich warte, bis er kommt. Im Warten habe ich schließlich seit gestern Erfahrung. Später erscheint der junge Arzt: „Ich habe mich geirrt, sie gehen nach Hause.“ Soso.

10.45    Professor Soundso erscheint, ein freundlicher älterer Herr. „Ja, wir haben viel zu tun, entschuldigen sie bitte. Aber es ist so viel zu tun seit gestern.“  Das hatte ich noch nicht gemerkt, denke ich in einem sarkastischen Anfall. Er untersucht mich nochmals. Dann sagt er: „Ich mache die Entlassungspapiere fertig. Leider funktioniert unsere EDV heute nicht, wir hatten heute Nacht einen totalen Computerausfall, sobald die Systeme wieder laufen, kann ich ihren Entlassungsbrief schreiben“. Alsdann entfleucht er. Von mir aus können die ihre Arztbriefe auch auf Büttenpapier und handschriftlich verfertigen.

11:10    Eine Schwester weist mich in die Geheimnisse der Heparin-Selbstspritzen ein. Lehrreich. Dann darf ich mir die erste Spritze gleich selbst setzen.

11:30     Walde ist da! Wie aus dem Boden gewachsen steht er mit einem Male im Zimmer. Ich bin perplex. „Wie kommst du denn hierher?“ Aber als er antworten will erscheint Professor Soundso und bringt mir den Entlassungsbrief. Er schärft mir ein, mich körperlich zu schonen. Mit einer Lungenembolie auf beiden Seiten ist nicht zu spaßen. Und er entschuldigt sich abermals für das UKE, dass das alles so lange gedauert hat.

11:45     Walde, den buchstäblich der Himmel geschickt hat, und ich verlassen das UKE. Als ich endlich durch die Türen hinaus ins Freie trete atme ich tief durch. Walde, der über einen Elim-Infokanal über mein Schicksal in Kenntnis gesetzt worden war, fährt mich heim.

War´s das?



Liebe Grüße, Alsterstewart




1 Kommentar:

  1. Lieber Stefan, uns sträuben sich die Haare. Ich kenne ja das UKE auch als Patient und weiss, daß es nicht das Vier Jahreszeiten ist. Nach einer Bluttransfusion war ich Notfallpatient, sowas sucht man sich auch nicht aus. Immerhin war dann der Aufenthalt für einige Tage im UKE doch einigermassen erträglich. Ich hatte eine sehr nette Mitpatientin, das machte es dann schon erträglicher. Aber: "Gesund" ist besser und genau dafür beten wir. Gott ist gross und nichts ist IHM unmöglich. Lieben Gruss Ulla u. Peter

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