Tag 9/2
Ich habe seit einer Woche nichts mehr hier geschrieben, da
wird es Zeit, noch einmal nachzulegen.
Wochenchronik: Letztes Wochenende hatte ich ja mit meinem
rechten Fuß zu tun. Stechender Schmerz direkt an der Sehne, vermutlich durch
ein Krebsmedikament ausgelöst. Ja, das hat sich gebessert – mein rechter Fuß
und ich, wir arbeiten zusammen. Ich kann wieder auftreten, mit gut gepolsterten
Schuhen auch wieder gehen, manchmal sogar normal abrollen.
Daher war ich am Montag und Dienstag gut obenauf, wie man
sagt. Alles war super. Krebs? Ach was, erinnere mich dran, ich habe ihn schon
fast vergessen.
Dann kam der Hammer.
Am Donnerstag bin ich zur Arbeit gefahren. Während ich
meiner Arbeit nachging bemerkte ich, wie ich immer weiter gedanklich und
körperlich wegsackte. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwanschwindel machten sich
breit. Dazu kamen Angstattacken und extremes Zittern. ES GING NICHTS MEHR.
Etwas stach in mein Herz. Aber war? Sind das die MM-Schmerzen? Sind das
womöglich Herzattacken?
Glücklicherweise habe ich in meiner Abteilung eine Kollegin,
die als Ersthelferin ausgebildet ist. Die maß sofort meinen Blutdruck. Der war
zu diesem Zeitpunkt durch die Decke gegangen und in nie zuvor bekannte Regionen
gestiegen. An Weiterarbeiten war nicht mehr zu denken. Und so verfrachtete sie mich in ein Taxi, das
mich auf schnellstem Wege von Quickborn ins UKE fuhr. Mir ging es während der
Fahrt hundeelend.
Notaufnahme UKE. Warten. Erste Untersuchung. Warten.
Ersteinschätzung mit Blutentnahme, EKG usw. Dann zweite Untersuchung. Immer
wieder Absprache zwischen Notaufnahme und Onkologie. Warten. Dann erste
Tablette. Warten. Zweite Tablette. Warten. Dann durfte ich nach insgesamt
viereinhalb Stunden mit erhöhten Blutdruck nach Hause.
Gestern dann Infusionstag. Der lief zuerst wie immer. Aber
der Blutdruck stieg wieder bis auf Spitzenwerte. Zum Schluss erhielt ich ein
Sofortmedikament gegen Bluthochdruck. Damit durfte ich dann nach Hause.
Jetzt nehme ich zusätzlich zu allen anderen Medikamente eben
noch eines gegen Bluthochdruck. Ehrlich gesagt: Sch…. Was kann ich sonst noch
machen, um den Blutdruck zu senken, der sich ohnehin erhöht, wenn ich Kortison
nehmen muss? Wie halte ich meine Belastung in Grenzen?
Meine Ärztin meinte, der Anstieg des Blutdrucks auf diese
Werte wäre sehr wahrscheinlich eine Folge des Stresses, dem ich ausgesetzt bin.
Es geht also (auch) um Stressmanagement. Was regt mich auf? Was entspannt mich?
Habe ich mir schon zu viel zugemutet? Oder unterlasse ich das, was mir guttut?
Heute nun war ich zuerst nicht zu gebrauchen. Ich merkte
nach dem Aufstehen förmlich, wie der Druck stieg. Es ist immer so ein Kribbeln
im Kopf, so ein Wegesacken der Welt vor meinen Augen, so ein Herzklopfen und
-stechen, so eine Übelkeit und Rasen…. Jetzt habe ich das mir verschriebene
Medikament gegen den Druck genommen, und „erfreue“ mich dessen Nebenwirkungen.
Kopfweh, Benommenheit, Übelkeit gehören auch dazu. Und dann kommen eben doch
Gedanken, die so dunkel sind, das sie hier keinen Platz haben.
Es ist also eine Woche, die nach Schwierigkeiten gut anfing,
aber derzeit nicht so gut weitergelaufen ist.
Was mich hält
Klingt es zu fromm, wenn ich sage: Ich werde im Glauben
gehalten? Mir egal, ob es zu fromm klingt, es ist so. Ab und zu muss ich mich
daran erinnern, dass auch in den Tiefen meiner Wege Jesus immer dabei ist und
mir beisteht. Es ist kein lauter Jesus, kein mit viel Bohei daherkommender
Christus – sondern ein stiller, verständnisvoller und mit-leidender Gottessohn.
Ja, er kennt mich.
Und es gibt Begebenheiten, die mich berühren. Eine gute
Freundin, wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren, war mit mir und einigen
anderen Freunden vor eineinhalb Jahren in Prag. Dort bekam sie im Jüdischen
Viertel mit, wie ich mich (aus Geiz) nicht dazu durchringen konnte, mir eine
Golem-Figur zu kaufen. Der Golem steht sinnbildlich für die Jüdische Gemeinde
in Prag und ist eng mit den Legenden um Rabbi Löw verbunden. https://de.wikipedia.org/wiki/Golem
Letzten Sonnabend traf ich mich mit guten Freunden auf einen
gemütlichen Abend in Barmbek. Und mein Freund Joachim, der Mann besagter
Freundin, brachte mir diese Figur mit: „Hier, der Golem ist für Dich von
Claudia.“
Ich war und bin tief berührt. Dieses Geschenk steht
sinnbildlich für die Menschen, die in dieser schwersten Zeit meines Lebens an
mich denken, für mich beten und mit mir verbunden sind. Trotz des ganzen Mists,
durch den ich – und mit mir meine Familie – nun hindurch muss, sind wir, bin ich nicht vergessen. Manchmal
braucht es nicht vieler Worte, sondern einfach eine kleine Geste, um das
auszudrücken.
Danke.
Wer beten mag: Es geht vor allem jetzt um die Senkung des
Blutdrucks auf vertretbare Werte.
Herzliche Grüße, Alsterstewart